Sonntag, 18. Januar 2009

Soziales Lernen - Regeln im Team

Oft hat man als Lehrer das Problem, dass einzelne Mitglieder eine Gruppe stören, da sie sich bewusst oder unbewusst nich an die Regeln halten. Als Klassenvorstand habe ich bei uns an der Schule die Möglichkeit im Pflichtfach SKL (Sozal-Kreatives Lernen) durch Übungen und Methoden, das Verhalten einzelner bewusst zu machen. In diesem Fach arbeiten wir im Team, was Einzelbetreuungen und das Arbeiten in Kleingruppen möglich macht.

Wir haben das Einhalten und die Notwendigkeit von Regeln als Hauptschwerpunkt im ersten Semester gesetzt. Dabei haben wir aber das Erleben lassen und das Mitteilen des eigenen Befinden in der Gruppe als wichtigste Methoden gewählt, da wir als Schule davon überzeugt sind, dass Reden, Vorbeten und Bestrafen nicht soviel bewirkt, wenn man eine Verhaltensänderung eines Menschen anstrebt.

Ich werde hier keine lange Abhandlung über die verschiedenen Unterrichtseinheiten schreiben, sondern möchte drei Methoden hervorheben. Die ersten zwei sind nicht von mir, aber die letzte habe ich mir ausgedacht.

1. Regeln brechen
Die Klasse wird ausgeräumt oder man geht in einen leeren Raum, wie z.B. den Pausenraum. Die Kinder gehen durch den Raum. Dabei fixieren sie einen Punkt, gehen hin und wechseln dann die Richtung (anders gehen sie im Kreis). Nach einiger Zeit gibt der Lehrer ein Zeichen, worauf sie einfrieren. Jetzt erklärt der Lehrer den ersten Auftrag: "Begrüße jeden der dir begegnet." Dann lösen die Kinder die Versteinerung, gehen weiter und begrüßen. Nach einiger Zeit gibt der Lehrer das Zeichen erneut. Das und die kommenden Aufträge sind Vorübungen.
  • "Begrüße jeden so, als ob du ihn seit Jahren nicht mehr gesehen hast.", "Begrüße so, als ob du ihn nicht magst, es aber nicht zeigen willst.",...
  • "Zeige auf was du siehst, und benenne es laut."
  • "Zeige auf was du siehst, und benenne es falsch."
Das letzte lässt man die Kinder etwas länger machen. Es fällt ihnen recht schwer, die Dinge falsch zu benennen, außerdem ist es für die meisten lustig. Man kann, um Abwechslung hineinzubringen, auch noch Emotionen dazusagen: lustig, wütend, traurig,... Dann diskutiert man darüber: "Was war leicht für dich?", "Wobei hattest du Schwierigkeiten?", "Warum fällt es einem schwer, zu einem Auge Turm zu sagen?",... Tipp: Erst zu viert bereden lassen, dann erst in der ganzen Gruppe mit den gezielten Fragen des Lehrers.

Macht man in der Diskussion den Kindern bewusst, dass es sich bei der Benennung von Dingen auch nur um Regeln handelt, hat man dadurch einen Einstig in das Thema geschaffen.

2. So ist es! So wollen wir es!
Der Lehrer bereitet Bilder vor, die eine Situation in der Klasse beschreiben: Dschungel, Baumschule, Mobile, Nest, Zahnrad, Ameisenhaufen,... und hängt diese in der Klasse verteilt auf. Nach einer kurzen Vorbesprechung, was diese Bilder bedeuten könnten, stellen sich die SchülerInnen zu dem Bild, wie sie im Moment die Klassensituation sehen. 

Will der Lehrer sich auch dazustellen, dann sollte er es erst dann tun, wenn jedes Kind seinen Platz gefunden hat. Noch besser wäre es, wenn der Lehrer erst in der zweiten Runde seine Position bezieht, da sonst eine Beeinflussung der Kinder passiert. 

Nach einer Befragung, warum sie sich dort hingestellt haben, und eventuell auch der Lehrer seine Position erklärt hat, sollen sie sich zu dem Bild stellen, das die Klasse symbolisiert, in der sie am besten Lernen könnten, bzw. in der sie sich wohlfühlen würden. Nachdem auch nun jeder erklärt hat, warum er nun oder noch immer hier steht, werden Kleingruppen (2-4 SchülerInnen) gebildet. 

Diese können nun auf Kärtchen aufschreiben, was sie tun, bzw. die Klasse tun kann, damit sie zu ihrer optimalen Klassensituation kommen. Aus den gesammelten Meldungen können gemeinsam mit den Kindern Klassenregeln aufgestellt werden.

3. Reise durch die Dimensionen
Die Klasse wird bis auf einen Tisch ausgeräumt. Der Tisch wird in die Mitte der Klasse gestellt, sodass er ein Tor bildet. Alle Kinder sind auf einer Seite. Sie sollen das tun, was in der Geschichte vorkommt. 

Dann beginnt der Lehrer zu erzählen: "Ihr seid in eurer Klasse als sich plötzlich ein Portal öffnet. Neugierig nähern sich die ersten der violett leuchtenden Öffnung. Der erste geht durch und wartet bis alle nach und nach ebenfalls durchkommen." Wenn alle drüben sind, geht die Geschichte weiter: "Es ist ein wunderschöner Ort: es gibt keinen Krieg, es duftet gut, keiner hat Hunger, und das beste: keine Schule. Ihr fühlt euch wohl. Doch dann bemerkt ihr überall Schilder auf denen steht: 'Lachen bei Strafe verboten!', 'Wer Spaß hat oder macht hat mit Gefängnis zu rechnen.' Ihr wollt weg. Doch da hort ihr eine tiefe Stimme: 'Ich bin der Zauberer Ordnur. Ich habe euch hier her gelockt und das Tor zurück mit einem Zauber belegt. Ihr könnt nur durch, wenn ihr euch alle bei den Händen nehmt, euch nicht loslasst und ohne einen Laut durch das Portal geht. Das schafft ihr nie.' " 

Das werden sie das erste Mal nicht schaffen. Einer geht, bevor alle sie an der Hand halten, die nächsten können sich das Lachen nicht verkneifen, usw. So landen sie in einem Land, wo überall Enten sind. Raus können sie nur, wenn alle "Alle meine Entchen" singen. Schaffen sie das können sie zurück in das Land ohne Spaß, wenn nicht landen sie im nächsten Land, z.B. "Alles Rückwärts" oder "Siamesische Zwillinge". Schaffen sie es, sich alle an die Regeln zu halten, kommen sie in das vorangegangene Dimension, bis sie es schaffen wieder in Schule zurückzukommen.

Bei mir hielten sie sich vor allem zwischen den Dimensionen "Ohne Spaß" und "Alle meine Entchen" auf. Man braucht dann nur mehr Andeutungen machen, wo sie sich gerade befinden, und sie wissen schon, was zu tun ist. Am Schluss schafften sie es zurückzukommen und der Zauberer hat wieder gesprochen: "Ich hab gewusst, dass ihr es schaffen werdet. Ihr habt die Prüfung bestanden. Der König der Zauberer beschloss, alles Leben zu vernichten, da sich keiner mehr an Regeln hällt. Ich konnte ihn überzeugen, dass, wenn ich eine kleine Gruppe auf die Probe stelle, und diese sich bewährt, er von seinem Vorhaben absieht. Ihr habt die Welt gerettet. Ich bin stolz auf euch." Dann spricht der Lehrer: "Willkommen in der Schule ..."

Ich konnte erst in der kommenden Stunde mit den Kindern über ihre Erlebnisse dabei reden. Am günstigsten wäre es, wenn eine Doppelstunde zur Verfügung stände. 



Noten für Individuen

Ich unterrichte heuer eine 2.Klasse (6.Schulstufe) in Geschichte. Ich  habe ich ein Notensystem eingeführt, das ich bereits in einer 4.Klasse (8.Schulstufe) getestet habe, das auf Punkten basiert, und die Möglichkeit bietet, individuell, aber gerecht und durchschaubar zu beurteilen. Pro Semester müssen die Lernenden 12 Punkte im Wissen und 12 Punkte in der Mitarbeit sammeln (in 2 Spalten einer Tablle dargestellt). Sie brauchen mindestens 6 Punkte pro Spalte, damit sie positiv beurteilt werden können. 

Diese Bögen haben nur die Kinder, da ich möchte, dass sie die Verantwortung über ihre Note übernehmen. In regelmäßigen Abständen übertragen sie ihre Punkte ins Mitteilungsheft, damit zum einen die Eltern über den Stand ihres Kindes Bescheid wissen, und zum anderen, damit man die Punkte nachtragen kann, falls es doch passiert, dass der Bogen verloren geht.

Weiters haben die Kinder ein Infoblatt erhalten, was sie tun können, um zu ihren Punkten zu kommen, und wie viele es sein können. Punkte für die Mitarbeit erhalten die Kinder durch sinnerfassendes Fragen und Antworten, aber auch Neugier im Unterricht wird belohnt. Weiters können sie auch durch Hausübungen sammeln, indem sie z.B. ein Buch zum Thema zu Hause finden und es mitbringen (1P). Stellen sie es dann auch noch vor, kann man je nach Aufwand mehr Punkte geben. Sie könnten aber auch Interviews mit Zeitzeugen oder Spezialisten führen, ein Museum besuchen, ein Bild malen, etc.

Für Wissenspunkte können die Kinder an gemeinsamen Tests teilnehmen, aber sich auch individuell zu mündlichen Prüfungen melden. Dabei unterscheide ich nicht nur den Umfang des Lernstoffs (können auch 2 Seiten - 4 Fragen werden gestellt -, ein Kapitel - 8 Fragen - oder der Semesterstoff - 12 Fragen - sein), sondern auch, ob sie Fragen vorbereitet haben, oder ob ich die Fragen willkürlich stellen darf. 

Bei letzterem ist das Punktezählen einfach: jede richtige Antwort ist ein Punkt. Stellen sie die Fragen (Mathephobier jetzt weglesen ;) ), müssen sie die doppelte Anzahl an Fragen, als gestellt werden finden. Dann überprüfe ich die Sinnhaftigkeit, Schwierigkeit und Richtigkeit der Fragen und Antworten, die sie auf Karteikärtchen abgeben. Auch das verdient Punkte: alle guten Fragen durch 4, hervorragende können natürlch auch mehr wert sein. Dann ziehe ich die Fragen aus dem Stapel. Die richtig beantworteten Fragen sind jeweils ein halber Punkt wert. 

Als Mathematikerin hab ich da sogar eine Formel:  P=F/4+A/2
Ein Beispiel: Ein Kind meldet sich zu einer Kapitelüberprüfung (8 gestellte Fragen) mit eigenen Fragen. Es erstellt 16 Karteikärtchen, davon sind 14 gut. --> 14/4= 3,5P (ich würde bei 3,75 auf- und bei 3,25 abrunden). Dann ziehe ich aus den guten Fragen 8 Stück und stelle sie. Davon beantwortet es 7 richtig. --> 7/2=3,5P. So hat sich das Kind insgesamt 7 Punkte erarbeitet. Kommt mir ein Gesamtergebnis mit Halben heraus, kann man die Viertelpunkte noch einberechnen, oder eine weitere Frage stellen, die man z.B. selbst wählt.

Andere Wissenspunkte können die Kinder durch die Arbeit an einem Portfolio, einem Referat, oder durch die Teilnahme an Aktionen in der Klasse (z.B. Ägyptenfest - 2P Mitarbeit, 2P Wissen) erhalten.

Dadurch, dass ich die Kinder in dieses System mit diesem Schuljahr einführe, hatte ich am Anfang nur wenige Punkte zu verteilen, da ihnen ihre Möglichkeiten noch nicht so geläufig sind. Darum habe ich, da sich diese Gruppe als sehr interessiert in der Zeitgeschichte gezeigt hat, die Kinder einen Wochenbericht mit Plakat im Team machen lassen. Die Aufteilung, wie die Punkte verteilt wurden (2P für die Auswahl der Artikel mit ihrer geschichtlichen Relevanz, 1P für das Plakat, 2P für die Vorstellung), war den Kindern bekannt, und bald konnten die Zuhörer beurteilen.

Wichtig bei diesem System ist es, dass die Kinder wissen, dass sie keine Punkte verlieren können. Sie können nur (manche weniger) Punkte bekommen. Die Kinder sehen immer ihren persönlichen Stand und das Notengeben wird durchschaubar. Am Anfang muss man den Kindern Möglichkeiten zeigen, wie sie sammeln können, einigen wenigen bis zum Schluss. Aber der Großteil schafft dadurch den Sprung zur Eigenverantwortung und sie sind unheimlich stolz und motiviert, wenn man vor Weihnachten bereits ein "Sehr gut" bei der Note für das Semester lesen kann.

Ist das der Fall, bitte ich sie, dass sie jetzt den anderen SchülerInnen, die noch nicht soweit sind, Vortritt zu lassen. Wollen sie Referate halten, vertröste ich sie auf das 2.Semester. Leisten sie aber dennoch etwas, z.B. in der Mitarbeit, lasse ich die Punkte nicht unter den Tisch fallen, sondern schreibe diese in das 2.Semester. Sammelt einer im 2.Semester über das hinaus, was gefordert wird, bekommt das Kind eine Urkunde und ein Geschenk - z.B. ein Museumsbesuch - von mir.

Dieses System ist höchst motivierend und individualisierend. Falls es jemand testen möchte, würde ich mich freuen. Natürlich ist ein Anpassen auf den eigenen Unterricht auch möglich.

Ich als Lehrer

Ich bin Lehrerin an einer Hauptschule (Alter: 10-14) in der Nähe von Wien. In meiner Schule passieren seit Jahren viele Veränderungen, die über das Jammern, wie furchtbar die Kinder von heute sind, hinausgehen. Jetzt wagen wir den Schritt zum Niederösterreichischen Schulmodell (http://www.lsr-noe.gv.at/aktuelles/n-schulmodell.html). Ich versuche nun in diesem Blog, zum einen den Ist-Stand, zum anderen unsere Entwicklung, aber auch meine eigenen Ideen zum Unterrichten und meine Etwicklung zu dokumentieren.

Zu meiner Person kann ich sagen, dass ich, da ich in einer Hauptschule unterrichte, mehr als nur meine geprüften Fächer (Mathematik, Bildnerische Erziehung) unterrichten darf. Aber in meiner 10-jährigen Tätigkeit kann ich nun behaupten fast alle Fächer zumindest ausprobiert zu haben. Was ich daran spannend finde ist, dass jedes neue Fach ein neues Spektrum an neuen Unterrichtsmethoden und Ideen, Ansätze,... eröffnet. Weiters ist mein Unterricht von offenen, selbstverantwortlichen Lernmethoden geprägt. Forschen, Erleben, aber auch Kind gerechtes wissenschaftliches Arbeiten sind Kern meines Unterrichtens. Ich bin weiters in einigen Projekten tätig: Comenius - "Wide Horizons" und net-1 - "Neue Wege zur Lesekompetenz".

Unsere Schule hat mehrere Schwerpunkte, bzw. Besonderheiten: 
  • Englisch - "Englisch als Arbeitssprache" mit Native Speaker in allen Klassen mit 3-4 Stunden in den Nebengegenständen im Team Teaching, "English Playing" 1 Stunde in den 1.Klassen, "English Conversation" in den Seminaren der 4.Klassen
  • Sozial - "Sozialkreatives Lernen" in allen Klassen 1 Stunde m Team Teaching
  • Informatik - Unverbindliche Übungen für 1. und 2.Klassen, Bürotechnik in der 2.Klasse, Pflichtfach Informatik in der 3.Klasse, Seminare nach Bedürfnis in der 4.Klasse (EDV, Informatik, Webdesign werden regelmäßig angeboten)
  • Lernfelder - ein Lehrer unterrichtet in einer Klasse zwei Fächer - z.B. ME/BE, BU/GW, GW/GS - in drei Stunden
  • Seminare - 4.Klassen geben an, welche Fächer sie für die weiterführenden Schulen oder Lehren brauchen könnten. Wir stimmen dann unser Können mit den Wünschen ab und erstellen 2 Semianrblöcke, aus denen die SchülerInnen wählen können.
Unsere Schule hat 10 Klassen - Tendenz steigend. Wir unterrichten sowohl hoch- als auch niedrigbegabte, brave und schlimme, behütete und vernachlässigte SchülerInnen. Kurz: wir unterrichten normale Kinder. Wichtig für uns ist , dass sich die Kinder wohlfühlen und gerne in die Schule kommen. Allerdings sind wir konsequent, wenn es um die Einhaltung unserer Regeln geht. Wir versuchen aber die Konsequenzen auf den einzelnen Schüler oder Schülerin anzupassen. 

Das Lehrerteam besteht aus ca. 20 LehrerInnen, jeder mit seiner individuellen Ansicht auf das Unterrichten. Diese Mischung bringt unseren Kindern viel, da sie die unterschiedlichsten Lehrertypen kennenlernen. Wir haben viel Mitspracherecht, was z.B. unsere Fächer betrifft. Die Direktion unterstützt neue Ideen und Ansätze und schreckt auch nicht davor zurück, erst Schulstufen und in Folge die ganze Schule danach umzustellen, wenn sie erfolgreich war. Unsere Direktorin ist aktiv an der Schulentwicklung beteiligt, sehr kompetent in den Rückmeldungen und wertschätzend dem arbeitenden Lehrer gegenüber. Sie selbst ist ein Arbeitstier, das entweder bis in die Nacht an der arbeitet, oder in Österreich unterwegs ist, um an Kurse teilzunehmen oder diese zu geben.

So, das ist ein grober Umriss meiner Arbeitsumgebung. Ich unterrichte unglaublich gerne und hoffe, andere mit diesem Blog in ihren Ideen zu bestätigen oder ihnen welche zu bieten. Ich bin von meiner Art des Unterrichtens überzeugt, denn ich weiß, welchen Frust  ich in meinen ersten Dienstjahren aufgebaut habe, weil ich die Kinder nicht so unterrichten konnte, wie ich es damals gelernt habe.

Samstag, 17. Januar 2009

Muss dieses Phänomen testen

So, jetzt hab ich auch ein Blog.
Bin gespannt, ob sich daraus etwas entwickelt.